veröffentlicht am 20.10.2017
F i n a n z d i e n s t l e i s t u n g e n
EP: Austausch mit den drei EU-Aufsichtsbehörden im ECON-Ausschuss
Im Rahmen des turnusmäßigen Austauschs des Ausschusses für Wirtschaft und Währung mit den drei europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) stellten der Vorsitzende der Europäischen Bankenaufsicht (EBA), Andrea Enria, der Vorsitzende der Europäischen Marktaufsicht (ESMA), Steven Maijoor sowie der Vorsitzende der Europäischen Versicherungsaufsicht (EIOPA), Gabriel Bernardino, am 09.10.2017 die Schwerpunkte ihrer Behörden der letzten zwölf Monate vor und gingen auf die jüngst erfolgten Vorschläge zur Überarbeitung aller drei ESAs ein. Enria betonte in seinen einleitenden Worten, dass insgesamt Fortschritte bei der Sanierung von Bankbilanzen erzielt worden seien und gleichsam laufende Regulierungsvorschläge wie der neue Rechnungslegungsstandard IFRS 9 sowie die Existenz von Verlustabsorptionspuffer größte Priorität hätten. Zudem machte er deutlich, dass die durch den Brexit notwendig gewordene Umsiedlung der EBA schnell umgesetzt werden müsse, da die gegenwärtige Zwischenphase die Motivation der Mitarbeiter einschränke. Auch Maijoor ging in seiner Einführung auf die Auswirkungen des Brexits ein und nannte als einer der wichtigsten Aspekte die mögliche Umsiedlung von Marktteilnehmern aus GBR, um weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben zu können. Die in diesem Zusammenhang angedachten zusätzlichen Kompetenzen der ESMA bei der Aufsicht von Zentralen Gegenparteien (CCPs) aus Drittstaaten sowie deren potentielle Umsiedlung in die EU würden entsprechend unterstützt.
Kommission: Mitteilung zur Vollendung der Bankenunion bis 2018 vorgestellt
Die Kommission hat am 11.10.2017 ihre Mitteilung zur Vollendung der Bankenunion vorgelegt und appelliert darin für einen Abschluss sämtlicher Arbeiten bis Ende 2018. Dies sei notwendig, damit das volle Potenzial entfaltet und die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) stabiler und widerstandsfähiger gemacht werden könne. Der vorgelegte Fahrplan zeige auf, so die Kommission, wie eine Einigung über alle noch ausstehenden Elemente auf der Grundlage der bestehenden Zusagen des Rates verwirklicht werden könnten und diene gleichsam als Vorbereitung für den EUR-Gipfel im Dezember. Konkret wird vorgeschlagen, Fortschritte in Bezug auf das europäische Einlagenversicherungssystem (EDIS) zu erzielen, indem die Phasen und der Zeitplan geändert werden. Im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag vom November 2015 soll EDIS anstatt in drei, nunmehr in zwei Stufen eingeführt werden und mit einer reinen Rückversicherungsphase beginnen, die dann in einer zweiten Stufe in eine Mitversicherung mündet. Der Übergang zur zweiten Phase soll dabei an die Bedingung geknüpft werden, dass bei der Verringerung der Risiken Fortschritte erzielt wurden.
Ergänzend soll zunächst lediglich eine Liquiditätsdeckung für die nationalen Einlagensicherungssysteme bereitgestellt werden, sodass EDIS zwar befristet Mittel zur Verfügung stellen kann, diese aber von den nationalen Systemen zurückgezahlt werden müssten. Erst in der Mitversicherungsstufe würde EDIS zunehmend auch Verluste gemeinschaftlich decken. Weiter regt die Mitteilung an, dass die bereits im Jahr 2013 konsentierte fiskalische Letztsicherung („fiscal backstop“) für den einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) angegangen werden müsse, der als Garant der Finanzstabilität diene. So soll gewährleistet werden, dass der SRF über ausreichende Mittel verfügt, um die Abwicklung einer Großbank oder mehrerer Banken bewältigen zu können. Diese Arbeiten sollen in die Vorschläge zur Vertiefung der WWU im Dezember 2017 einfließen. Als weiteren Punkt soll der Abbau der Bestände an notleidenden Krediten (Non Performing Loans, NPL) fortgesetzt und in ein Maßnahmenpaket fließen, das im Frühjahr 2018 veröffentlicht werden soll. Hierzu zählt u.a. ein Modell für die nationalen Vermögensverwaltungsgesellschaften und gesetzgeberische Maßnahmen zum weiteren Ausbau der Sekundärmärkte für NPL und zur Verbesserung der Möglichkeiten der Kreditgeber zur Verwertung besicherter Darlehen. Auch fordert die Kommission eine rasche Einigung über das derzeit im Rat und EP beratene Paket zur Risikoreduzierung und Stärkung der Widerstandsfähigkeit im Bankensektor und empfiehlt nach Abschluss der laufenden Arbeiten des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken für das Jahr 2018 weitere Maßnahmen für die Verbriefung von Staatsanleihen (Sovereign Bond-Backed Securities, SBBS). Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der Kommission mit Zuständigkeit für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion betonte bei der Vorstellung der Mitteilung entsprechend, dass eine vollständige Bankenunion unerlässlich für die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion sei. Ziel sei ein Bankensektor, der Krisen absorbiere und eine Risikoteilung im Privatsektor praktiziere, damit nicht immer zuerst der Steuerzahler zur Kasse gebeten werde.
F i n a n z e n
Rat: WWU, ESM, Steuer- und Abgabenlast sowie PTL Themen der EUR-Gruppe
Am 09.10.2017 erörterte die EUR-Gruppe die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion und die künftige Rolle und die möglichen Aufgaben des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Die Minister befassten sich mit der Gegenfinanzierung der Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit und tauschten bewährte nationale Verfahren aus. Die Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB), der ESM und der Internationale Währungsfonds (IWF) informierten die EURGruppe zudem über die Ergebnisse der 6. Überwachungsmission nach Abschluss des Anpassungsprogramms in PTL. Die wichtigsten Ergebnisse der Mission seien positiv.
Rat: Streitbeilegung bei Besteuerung, MwSt. u.a. Themen des ECOFIN
Am 10.10.2017 nahm der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) die Richtlinie zur Einführung einer neuen Regelung für die Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten an. Damit sollen die Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten gestärkt werden, die durch die Auslegung von Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung entstehen. Die Minister zogen eine Bilanz der Überwachung der Politik im Rahmen des Europäischen Semesters 2017, um den Prozess reibungsloser und wirksamer zu gestalten. Sie erörterten die Vorbereitung der Tagungen der G20 und des Internationalen Währungsfonds (IWF), die Mitte Oktober in Washington stattfinden. Schließlich legte die Kommission das Paket mit Vorschlägen zur Reform des Mehrwertsteuersystems der EU vor, und präsentierte den von ihr vorgeschlagenen Politikansatz für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft (vgl. BaB 18/2017).
EuGH: HUN-Kraftfahrzeugsteuer verstößt gegen Assoziierungsabkommen
Am 19.10.2017 urteilte der EuGH in der Rechtssache C-65/16 (Istanbul Lojistik Ltd / Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatóság), die ungarische Kraftfahrzeugsteuer sei mit dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei nicht vereinbar. Diese Steuer stellt eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie Zölle dar, die nach dem Assoziierungsabkommen verboten ist.
EP: Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung im PANA-Ausschuss
Einige EU-Mitgliedstaaten behinderten den Kampf gegen Geldwäsche, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung, so der EP-Untersuchungsausschuss (PANA) am 18.10.2017 in seinem Schlussbericht. Dieser war mit 47 gegen 2 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen gebilligt worden, nachdem eine 18-monatige Untersuchung zu Verstößen gegen das EU-Recht in Bezug auf Geldwäsche und Steuerumgehung erfolgten.
S o z i a l e s
Kommission: Initiative zur Förderung von Berufsausbildungen in Europa
Die Kommission hat am 06.10.2017 einen Vorschlag für einen Europäischen Rahmen für hochwertige und nachhaltige Berufsausbildungen angenommen. Diese Initiative in Form einer Empfehlung des Rates ist Teil der neuen europäischen Agenda für Kompetenzen vom Juni 2016. Sie fügt sich ebenfalls ein in die europäische Säule sozialer Rechte, die das Recht auf allgemeine und berufliche Bildung von hoher Qualität und in inklusiver Form vorsieht. Ausgehend von einer breit angelegten Konsultation werden in der Empfehlung 14 Schlüsselkriterien ermittelt, die die Mitgliedstaaten (MS) und sonstigen Akteure zur Entwicklung hochwertiger und nachhaltiger Berufsausbildungen verwenden sollten. Diese Initiative wird zu einer besseren Beschäftigungsfähigkeit und persönlichen Entwicklung von Auszubildenden und damit auch zu einer hervorragend ausgebildeten und qualifizierten Arbeitnehmerschaft gemäß den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts beitragen. Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis betonte, die Wahrung der Vielfalt der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in den Mitgliedstaaten erhalten zu wollen. Für die Bewertung der Qualität und Nachhaltigkeit einer Berufsausbildung sieht der vorgeschlagene Rahmen sieben Kriterien für Lern- und Arbeitsbedingungen vor:
(1) Schriftlicher Vertrag, (2) Lernergebnisse, (3) Pädagogische Unterstützung,
(4) Arbeitsplatz-Komponente, (5) Bezahlung und/oder Aufwandsentschädigung, (6)Sozialschutz, (7) Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit.
Außerdem werden sieben Kriterien für Rahmenbedingungen vorgeschlagen:
(8) Regulierungsrahmen, (9) Einbeziehung der Sozialpartner, (10) Unterstützung für Unternehmen, (11) Flexible Lernpfade und Mobilität, (12) Berufsberatung und Sensibilisierung, (13) Transparenz, (14) Qualitätssicherung und Werdegang-Nachverfolgung.
Die Kommission unterstützt die Umsetzung dieser Kriterien durch angemessene EU-Finanzmittel. Allein der Europäische Sozialfonds trägt bis zu 27 Mrd. EUR zur allgemeinen und beruflichen Bildung bei. Die EU fördert Berufsausbildungen außerdem durch verschiedene andere Instrumente. Die Europäische Ausbildungsallianz hat bislang mehr als 750.000 Angebote für junge Menschen mobilisiert. Im Rahmen der Jugendgarantie sind bereits mindestens 390.000 Ausbildungsplätze vermittelt worden. Erasmus+ fördert die Mobilität von Auszubildenden, unter anderem durch die neue ErasmusPro-Initiative, über die im Zeitraum 2018-2020 etwa 50.000 Auszubildende in Unternehmen im Ausland vermittelt werden sollen. Da die Bemühungen zur Vergrößerung des Angebots an Berufsausbildungsplätzen aus Sicht der Kommission nun Früchte tragen, müssen die Erfolgskriterien dringend konkretisiert werden. Dies leiste der neue Rahmen.
Kommission: Gleichstellungsindex 2017
Am 11.10.2017 veröffentlichte das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) den „Gleichstellungsindex 2017“ („Gender Equality Index“). Im Rahmen einer Veranstaltung in Brüssel wurden dabei aktuelle Trends diskutiert und Lösungen für geschlechtsspezifische Ungleichheiten im politischen und wirtschaftlichen Kontext erörtert. Der aktuelle Gleichstellungsindex zeige, wo Europa heute in Bezug auf Gleichstellung von Männern und Frauen stehe. Deutlich werde, dass es zwar Fortschritte gibt, aber dass es insgesamt nur sehr langsam vorangeht. In einigen Bereichen zeigten sich sogar deutliche Rückschritte in Bezug auf die Gleichstellung. Der EU-Gesamtwert läge nur vier Punkte höher als vor zehn Jahren und damit nun bei 66,2 von 100 Punkten. Den höchsten Wert erzielte SWE mit 82,6 Punkten, während GRI mit 50 Punkten das Schlusslicht bilde. DEU liegt bei einem Wert unterhalb des EU-Durchschnitts. Neue Aspekte des Index seien u.a. detailliertere Analysen des Gleichstellungsstatus für verschiedene Gruppen von Frauen und Männern als in den Jahren zuvor. Dieser „intersektionale“ Ansatz untersuche Faktoren jenseits des Geschlechts wie Alter, Behinderung und Bildung. Darüber hinaus würden neue Daten zu sozialem Macht- und Gesundheitsverhalten dargestellt, die in früheren Ausgaben nicht gemessen wurden, weil noch keine geeigneten Indikatoren vorhanden waren. Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, Věra Jourová, gab an, die neuen Ergebnisse des Gleichstellungsindex zeigten, dass in allen Lebensbereichen nach wie vor Ungleichheiten bestehen. Das bedeute, dass Europa verpflichtet sei, zu handeln. Noch 2017 werde sie weitere Maßnahmen vorschlagen, um Frauen zur Selbstbestimmung zu befähigen und für Entgeltgleichheit zu sorgen. dabei gehe es ihr um die Schaffung eines Umfelds, in dem beide Geschlechter gleiche Wahlmöglichkeiten haben und uneingeschränkt am sozialen, Arbeits- und Familienleben teilhaben können.
EP: EMPL-Ausschuss beschließt Kompromiss zur Entsenderichtlinie
Am 16.10.2017 fand im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) des EP eine Abstimmung über einen Kompromiss zur Überarbeitung der Entsenderichtlinie statt. Der gefundene Kompromiss wird von verschiedenen Fraktionen begrüßt. Die Abstimmungsmehrheit war mit 31 : 17 (4 Enthaltungen) breit. Der EMPL-Ausschuss sprach sich dafür aus, Trilogverhandlungen mit der Kommission und dem Rat aufzunehmen. Falls es dazu bis zum 24.10.2017 keinen Widerspruch gibt, können diese bereits im November beginnen. Dies sei auch als Signal der Einbindung der Abgeordneten aus den mittel- und osteuropäischen Ländern zu sehen. Kernpunkte des Kompromisses sind:
1. Einführung des Begriffs „Entlohnung“ anstelle von „Mindestlohnsätze“, wodurch entsandte Arbeitnehmer (AN) von bestimmten Zuschlägen und Tagegeldern, Eingruppierungsbestimmungen sowie Sonderzahlungen profitieren können:
2. Anspruch auf Zulagen für Reise-, Unterkunft und Verpflegungskosten, die aufgrund der Entsendung als zusätzliche Kosten für entsandte AN anfallen:
3. Verbindlichkeit von Tarifverträgen für entsandte AN:
4. Anwendbarkeit von Tarifverträgen beim Hauptauftragnehmer auf Entsandte bei Subunternehmen:
5. Festlegung einer Frist von 24 Monaten, nach der die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaates gelten sollen.
J u s t i z
Rat: Zustimmung zur Europäischen Staatsanwaltschaft
Die Justizminister von 20 Mitgliedstaaten haben auf ihrer Tagung am 12.10.2017 in LUX der Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) im Wege der verstärkten Zusammenarbeit zugestimmt. Nicht dabei sind POL, HUN, NDL, IRL, SWE, DNK, GBR und MTA. Sie können sich aber jederzeit für einen Beitritt entscheiden. Die neue Behörde ist zuständig für die Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität zulasten des EU-Haushalts und von grenzüberschreitendem Mehrwertsteuerbetrug mit einem Schaden von mehr als zehn Mio. EUR. Sie wird ihren Sitz in LUX haben und soll 2020 handlungsfähig sein. Die weiteren Schritte zur Umsetzung werden in Ausschüssen mit Vertretern der teilnehmenden Mitgliedstaaten und der Kommission ausgearbeitet werden. Das EP hatte dem Vorhaben in seiner Plenarsitzung am 05.10.2017 zugestimmt (vgl. BaB 18/2017). Die Kommission hat bereits angekündigt, 2018 Schritte zur künftigen Erweiterung der Aufgaben der EPPO vorzulegen. Seit einiger Zeit wird die Frage diskutiert, ob EPPO eines Tages auch für die Verfolgung grenzüberschreitender terroristischer Straftaten zuständig sein sollte.
EuGH: Übersetzungserfordernisse beim Strafbefehl
Der EuGH hat mit Urteil vom 12.10.2017 in der Rechtssache C-278/16 entschieden, dass ein deutscher Strafbefehl übersetzt werden muss, wenn der Beschuldigte kein Deutsch spricht. Dies folgt nach Ansicht des EuGH aus Art. 3 der Richtlinie 2010/64 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren: Ein Rechtsakt wie ein im nationalen Recht vorgesehener Strafbefehl zur Sanktionierung von minder schweren Straftaten, der von einem Richter nach einem vereinfachten, nicht kontradiktorischen Verfahren erlassen wird, stellt eine „wesentliche Unterlage“ im Sinne von Art. 3 des Abs. 1 der Richtlinie dar, von der verdächtige oder beschuldigte Personen, die die Sprache des betreffenden Verfahrens nicht verstehen, gemäß den von dieser Bestimmung aufgestellten Formerfordernissen eine schriftliche Übersetzung erhalten müssen. Nur dann sind sie imstande, ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen, und um so ein faires Verfahren zu gewährleisten. Der EuGH weist darauf hin, dass der im deutschen Recht vorgesehene Strafbefehl zugleich eine Anklageschrift und ein Urteil im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2010/64 darstellt. Im Ausgangsfall wehrt sich ein Bürger aus NDL vor den deutschen Gerichten gegen einen Strafbefehl, der in DEU gegen ihn wegen Unfallflucht erlassen wurde. In dem Strafbefehl wird ihm eine Geldstrafe auferlegt und das Recht aberkannt, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis in DEU Gebrauch zu machen. Der Strafbefehl wurde ihm in deutscher Sprache zugestellt, nur die Rechtsbehelfsbelehrung betreffend die Einspruchsmöglichkeit war auch ins Niederländische übersetzt. Streitig ist nun, ob die Einspruchsfrist durch die Zustellung des Strafbefehls in deutscher Sprache überhaupt in Gang gesetzt wurde.
EuGH: Gerichtliche Zuständigkeit für Klagen gegen Rufschädigung im Internet
Der EuGH hat mit Urteil am 17.10.2017 in der Rechtssache C-194/16 entschieden, dass eine juristische Person, deren Persönlichkeitsrechte durch die Veröffentlichung unrichtiger Angaben über sie im Internet und durch das Unterlassen der Entfernung sie betreffender Kommentare verletzt worden sein sollen, Klage auf Richtigstellung der Angaben, auf Verpflichtung zur Entfernung der Kommentare und auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens bei den Gerichten des Mitgliedstaats (MS) erheben kann, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet. Übt die betreffende juristische Person den größten Teil ihrer Tätigkeit in einem anderen MS als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes aus, kann sie den mutmaßlichen Urheber der Verletzung unter Anknüpfung an den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs in diesem anderen MS verklagen. Der EuGH folgt damit den Schlussanträgen vom 13.07.2017 (vgl. BaB 14/2017). Im Ausgangsfall hat ein in EST ansässiges Unternehmen ein in SWE ansässiges Unternehmen vor einem estnischen Gericht wegen Rufschädigung verklagt. Anlass ist die von der Beklagten auf einer auch in EST zugänglichen Webseite geführte „schwarze Liste“ von angeblich betrügerischen Firmen. Das erstinstanzliche estnische Gericht hat die Klage mangels Zuständigkeit abgewiesen. Der estnische Staatsgerichtshof hat den EuGH um Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit (sog. Brüssel-I-Verordnung) ersucht.
W i r t s c h a f t
Kommission: Verhängung von einer Geldbuße gegen LKW-Hersteller Scania
Mit Beschluss vom 27.09.2017 hat die Kommission dem LKW-Hersteller Scania, welcher u.a. einen Sitz in Offenbach am Main hat, eine Geldbuße von mehr als 880 Mio. EUR auferlegt. Untersuchungen hätten gezeigt, dass das Unternehmen über 14 Jahre hinweg gegen kartellrechtliche Vorgaben verstoßen hat, indem es mit anderen Unternehmen dieser Branche Verkaufspreise von Lastkraftwagen und Zeitpläne zur Einführung von Emissionssenkungstechnologien abgesprochen und die Kosten für solche Innovationen den Kunden weitergegeben hat. Scania hatte sich 2016 im Gegensatz zu den anderen fünf Kartellteilnehmern MAN, DAF, Daimler, Iveco und Volvo/Renault gegen einen Vergleich mit der Kommission entschieden. Deshalb führte die Kommission ihre Untersuchung gegen Scania nach dem normalen Kartellverfahren durch.
V e r k e h r
EuGH: AUT erhebt Klage gegen deutsche Pkw-Maut
Am 12.10.2017 reichte AUT Klage gegen die deutsche Pkw-Maut beim EuGH ein. Die Kommission sei im dreimonatigen Stellungnahme-Prozess nicht erneut aktiv geworden. Deshalb sei jetzt der Klageweg eröffnet. Das neue Mautsystem in DEU sieht vor, dass alle Fahrer und Fahrerinnen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit die Maut bezahlen, jedoch besteht für Deutsche die Möglichkeit, das Geld über eine Steuerentlastung zurückzubekommen. In der Klageschrift wird die Aussicht auf Erfolg damit begründet, dass die deutsche Pkw-Maut eine indirekte Diskriminierung aufgrund von Staatsangehörigkeit gegenüber ausländischen Autofahrern und Autofahrerinnen darstelle, was gegen den Gleichheitsgrundsatz und somit gegen die Vorschriften des AEUV verstoße. Die mit der Kompensation verfolgte „Ökologisierung“ der Kraftfahrzeugsteuer diene zwar dem Schutz der Umwelt, könne aber die Diskriminierung nicht rechtfertigen. Zudem seien durch die deutsche Pkw-Maut ausländische Bus- und Lieferunternehmen schlechter gestellt, was gegen die unionsrechtliche Stillhalteklausel verstoße. Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung auf die Mautpläne in DEU.
G e s u n d h e i t u n d V e r b r a u c h e r s c h u t z
Kommission: Konferenz „Gesundheit in der Digitalen Gesellschaft 2017“
Am 17.10.2017 fand mit Unterstützung der Kommission die Konferenz zur Zukunft der Gesundheit in der Digitalen Gesellschaft in Reval (Tallinn, EST) statt. Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis stellte dabei in seiner Rede fest, dass EU-Bürger klare Interessen an Innovationen und Digitalisierung im Gesundheitswesen hätten. Die Kommission sähe viel Potenzial in digitalen Lösungen, besonders bei Prävention und Management von chronischen Krankheiten. Daher habe sich die Kommission darauf verständigt, noch bestehende Barrieren zu überwinden und die freie Beweglichkeit von Patienten und Daten zu unterstützen
EuGH: Bio-Lebensmittel benötigen im Online-Handel Kennzeichnung nach EU-Öko-Verordnung
Am 12.10.2017 verkündete der EuGH in der Rechtssache C-289/16 Kamin und Grill Shop zu der Frage, ob der Online-Einzelhandel mit ökologischen/biologischen Produkten von dem nach der Verordnung 834/2007 einzurichtenden Kontrollsystem befreit werden kann, sein Urteil. Hintergrund ist, dass die EU-Verordnung Nr. 834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen den Mitgliedstaaten die Einführung eines Kontrollsystems vorschreibt. Sie erlaubt ihnen jedoch auch, bestimmte Kategorien von Einzelhändlern von dem Kontrollsystem auszunehmen: So können sie Unternehmer, die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder -nutzer verkaufen, befreien, sofern diese Unternehmer die Erzeugnisse nicht selbst erzeugen, aufbereiten oder an einem anderen Ort als in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder solche Erzeugnisse nicht aus einem Drittland einführen oder solche Tätigkeiten auch nicht von Dritten ausüben lassen. Der deutsche Bundesgerichtshof wollte vom EuGH wissen, ob eine solche Befreiung auch für Online-Händler möglich sei. In dem Verfahren vor dem BGH beanstandete die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main, dass die Kamin und Grill Shop GmbH, die einen Internetversandhandel für Kamin- und Grillbedarf betreibt, zum damaligen Zeitpunkt keinem Kontrollsystem angeschlossen war. Während Generalanwalt Tanchev in seinen Schlussanträgen vom 08.06.2017 die Ansicht vertrat, dass die Befreiungsmöglichkeit grundsätzlich auch für Online-Händler gelte, stellt der EuGH fest, dass Art. 28 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 834/2007 dahin auszulegen sei, dass Erzeugnisse nur dann im Sinne dieser Bestimmung „direkt“ an den Endverbraucher oder -nutzer verkauft werden dürfen, wenn der Verkauf unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt. Die Anwendung der Melde- und Kontrollvorschriften auf den Online- oder Versandeinzelhandel erscheine vollkommen gerechtfertigt, da die Lagerung der Erzeugnisse – in der Regel in nicht geringen Mengen – und die Auslieferung durch zwischengeschaltete Dritte ein Risiko der Umetikettierung, des Vertauschens und der Kontaminierung bürgen, das nicht als generell gering eingestuft werden könne
I n n e r e s
Kommission: Neue Maßnahmen für einen besseren Schutz vor Terrorismus
Die Kommission hat am 18.10.2017 eine Reihe von konkreten und praktischen Maßnahmen vorgestellt, mit denen die EU-Bürger besser vor terroristischen Bedrohungen geschützt werden sollen. Das Paket umfasst zwei Aktionspläne sowie mehrere Maßnahmen und Empfehlungen.