20-2017 Newsletter

Darmstadt, den 16. November 2017

veröffentlicht am 03.11.2017

F i n a n z d i e n s t l e i s t u n g e n

EBA: Details für den nächsten Bankenstresstest veröffentlicht

Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hat am 30.10.2017 den Zeitplan für den nächsten EU-weiten Stresstest veröffentlicht. In enger Zusammenarbeit mit den nationalen verständigen Behörden soll die Überprüfung der Bankbilanzen Anfang 2018 beginnen und die Ergebnisse am 02.11.2018 vorgelegt werden. Ursprünglich war die Veröffentlichung für Mitte 2018 vorgesehen, wurde aber im Interesse der Banken um knapp ein halbes Jahr verschoben, damit diese die Effekte der zum Jahresanfang 2018 in Kraft tretenden Bilanznorm „IFRS 9“ berechnen können. Im November 2014 hatte die Europäische Zentralbank (EZB) einen umfangreichen Stresstest von knapp 130 systemrelevanten EU-Banken begonnen, der gleichfalls den Auftakt der Bankenunion darstellte.

F i n a n z e n

EP: Entschließung zum Gesamthaushaltsplan 2018

Am 25.10.2017 verabschiedete das EP seinen aktuellen Standpunkt zum EU-Haushalt 2018, nachdem sich der Rat im Sommer bereits positioniert hatte. Die Gesamtmittel für 2018 sollten sich auf rund 162,6 Mrd. EUR bei den Verpflichtungen (MfV) und 146,7 Mrd. EUR bei den Zahlungen (MfZ) belaufen. Die Mehrheit der MdEP will Forschung, Bildung, bessere Infrastruktur, KMU und Beschäftigung junger Menschen in allen Regionen fördern. Der Türkei sollen Heranführungshilfen um 50 Mio. EUR gekürzt werden wegen der verschlechterten Menschen- und Bürgerrechtslage. Die Entschließung wurde mit 414 gegen 163 Stimmen bei 90 Enthaltungen angenommen.
Da die Mitgliedstaaten im Rat geringere Beträge vorsahen, haben Rat und EP jetzt drei Wochen Zeit, sich auf einen Kompromiss zu einigen. Dann soll nach dem Willen des EP am 30.11.2017 über den Haushalt abschließend abgestimmt werden.

Kommission: Konsultation zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft

Am 27.10.17 wurde von der Kommission eine öffentliche Befragung zur zeitgemäßen und fairen Besteuerung der digitalen Wirtschaft gestartet. Das gegenwärtige Steuersystem müsse reformiert werden, da es aus der Zeit vor der Digitalisierung stamme und keine Geschäftstätigkeiten, die auf Daten und immateriellen Gütern beruhten, berücksichtige. Die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation sollen in die 2018 vorzulegenden Vorschläge der Kommission einfließen. Frist für die Teilnahme ist der 03.01.2018.

Kommission: Britische CFC-Steuerregelung für Konzerne auf dem Prüfstand

Am 26.10.2017 gab die Kommission bekannt, dass sie die britische CFC Steuerregelung überprüfen möchte, die es multinationalen Konzernen erlaube, in GBR weniger Steuern zu zahlen, und damit möglicherweise gegen EU-Beihilfevorschriften verstieße. Die britischen Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) sollten Unternehmen daran hindern, Tochtergesellschaften in einem Niedrig- oder Nullsteuerland auszulagern, um der Besteuerung im GBR zu entgehen. Die CFC Regelung erlaube es britischen Steuerbehörden, alle Gewinne, die künstlich einer Tochtergesellschaft zugeschlagen wurden, wieder der Muttergesellschaft im GBR zuzuordnen, wo das Unternehmen entsprechend besteuert werden könne. Die Kommission hat Zweifel, ob diese 2013 eingeführte Steuerbefreiung für konzerninterne Finanzierungen mit dem EU-Beihilferecht vereinbar sei. Die Einleitung einer eingehenden Prüfung gibt der britischen Regierung und interessierten Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme.

S o z i a l e s

EASPD, FESE: Föderation Europäischer Sozialer Arbeitgeber (Federation of European Social Employers, FESE) gegründet

Am 20.10.2017 gründete sich die neue Föderation Europäischer Sozialer Arbeitgeber im Bereich der sozialen Dienstleistungen in der EU. Der Sektor sozialer Dienstleistungen sei ein Jobmotor in der EU, der bereits 10 Mio. Beschäftigte habe und seit der Wirtschaftskrise 2008 für 1,8 Mio. neue Arbeitsplätze gesorgt habe. Zusammen mit den Gesundheitsdienstleistungen repräsentiere der Bereich 7% der Wirtschaftsleistung der EU 28. Mit dem Wandel von Demographie und Familienstrukturen würden soziale Dienstleistungen in den kommenden Jahrzehnten signifikant wachsen. Die neugegründete Föderation will daher dazu beitragen, Arbeitnehmer zu vertreten und als sektorales europäisches Komitee für den „Sozialen Dialog“ fungieren und an den EU-Strukturen partizipieren. Erster gewählter Präsident von FESE wurde Gregor Tomschizek, Landesgeschäftsführer der Volkshilfe Niederösterreich (AUT). Er betonte in seiner Eröffnungsrede, dass der „Soziale Dialog“ und die Hervorhebung sozialer Dienstleistungen ein „Muss“ für Europa seien. Man wolle das gemeinsame Auftreten verbessern und Sprachrohr der Arbeitnehmer sein. Die EU müsse den sozialen Dienstleistungssektor besser wahrnehmen und seine Chancen für Wachstum, Arbeitsplätze und soziales Miteinander nutzen. Der Aufbau des Verbandes wurde durch das EU-Programm „Förderung von Arbeitgebern für Soziale Dienstleistungen im Sozialdialog III“ (EASPD) unterstützt. Der Arbeitgeberverband der Arbeiterwohlfahrt (AGV-AWO) ist Gründungsmitglied geworden. Bisher sind sechs Verbände aus sechs Mitgliedsstaaten beigetreten.

Rat, Kommission: Soziale Rechte in der EU – Weg zur Proklamation von Grundsatzkatalog „Soziale Säule“ frei

Die Kommission teilte am 26.10.2017 mit, dass die Mitgliedsstaaten, das EP und die Kommission beim EU-Sozialgipfel am 17.11.2017 in Göteborg (FIN) eine Liste von 20 sozialen Grundprinzipien und sozialen Rechten unterzeichnen wollen, denen sie sich verpflichtet fühlen. Diese Europäische Säule Sozialer Rechte (ESSR) der EU kann proklamiert werden, nachdem der Text der gemeinsamen Erklärung der drei Institutionen auch von den EU-Arbeits- und Sozialministern einstimmig gebilligt wurde.
„Die ESSR fasse zusammen, an was Europa glaube und was es einzigartig mache: ein Kontinent der Gleichheit, Fairness und der Hilfe für die schwachen Glieder der Gesellschaft zu sein“, sagte Jevgeni Ossinovski, Arbeitsminister in EST und amtierender Vorsitzender des Ministerrats. Die Prinzipien seien in drei Kategorien gruppiert:
a) Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang,
b) faire Arbeitsbedingungen in dynamischen Arbeitsmärkten sowie
c) Sozialschutz und soziale Inklusion.
Die Palette reiche vom Anspruch auf Mindestlohn, Wohnung und Bildung bis zum Zugang zu Gesundheitsversorgung. EU-Arbeits- und Sozialkommissarin Marianne Thyssen sagte, die Einigung zeige, dass sich die EU angesichts von Herausforderungen: wie der Alterung der Gesellschaft, der Globalisierung und der Digitalisierung für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in der ganzen EU einsetze.

Rat: Teileinigung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Der Rat Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (EPSCORat) verabschiedete auf seiner Sitzung am 23.10.2017 eine partielle allgemeine Ausrichtung zu den Bereichen Gleichbehandlung und anwendbares Recht des Vorschlags zur Änderung der Verordnungen über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnungen 883/2004 und 987/2009). Im Bereich Gleichbehandlung wurde aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen der Mitgliedsstaaten von einer Kodifizierung der EuGH-Urteile zum Verhältnis der Koordinierungsverordnungen zur Freizügigkeitsrichtlinie (2004/38/EG) abgesehen. Als Kompromiss soll die Rechtsprechung und ihre weitere Gültigkeit ausschließlich in einem Erwägungsgrund aufgenommen werden. Eine partielle allgemeine Ausrichtung zu den Bereichen Familien- und Pflegeleistungen wird für den EPSCO-Rat im Dezember 2017 angestrebt.

EP: Entschließung zu Mindesteinkommen in allen Mitgliedstaaten gefasst

In seiner Entschließung vom 24.10.2017 forderte das EP alle Mitgliedstaaten auf, angemessene Mindesteinkommensregelungen einzuführen, begleitet von Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung arbeitsfähiger Personen sowie von Programmen zur allgemeinen und beruflichen Bildung und Ausbildung. Diese sollen auf die persönliche und familiäre Situation der begünstigten Personen abgestimmt sein, um Haushalte mit unzureichendem Einkommen zu unterstützen und ihnen einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen. Weiter betonte das EP, dass dieses Mindesteinkommen das letzte Netz des sozialen Schutzes sein sollte und neben einem garantierten Zugang zu hochwertigen Dienstleistungen und einer aktiven Arbeitsmarktpolitik auch eine angemessene finanzielle Unterstützung als wirksames Mittel zur Armutsbekämpfung und zur Sicherung eines menschenwürdigen Lebens für alle Menschen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, umfassen sollte. Man hob hervor, dass das Recht auf Sozialhilfe ein Grundrecht sei und dass angemessene Mindesteinkommensregelungen den Menschen helfen, ein Leben in Würde zu führen, ihre uneingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern und ihre lebenslange Unabhängigkeit sicherzustellen. In dem Zusammenhang war dem EP wichtig, dass die Förderung einer integrativen Gesellschaft ohne Armut auf der Verbesserung der Wertschätzung von Arbeit mittels Arbeitsrechten auf der Grundlage tarifvertraglicher Vereinbarungen und auf dem Zugang zu erstklassigen öffentlichen Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, soziale Sicherheit und Bildung basieren müsse, mit denen der Kreislauf der Ausgrenzung unterbrochen und Entwicklung gefördert wird.

EP: EU-Jugendgarantie befürwortet

In seiner Entschließung vom 24.10.2017 zur EU-Jugendgarantie betonte das EP, dass die Jugendgarantie in erheblichem Maße dazu beiträgt, Maßnahmen zu unterstützen, mit denen arbeitslose junge Menschen die Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnisse erwerben, die sie benötigen, damit sie langfristig eine Arbeit aufnehmen und selbst Unternehmer werden können. Zudem biete sie aber auch eine Chance gegen das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage vorzugehen. Das EP wies darauf hin, dass Bildung und Berufsberatung eine wichtige Rolle spielen, wenn es gilt, junge Menschen mit der auf dem Arbeitsmarkt erforderlichen Arbeitsmoral und den nötigen Fähigkeiten auszustatten.

EP: Null Toleranz gegenüber sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch

Das EP verurteilte am 26.10.2017 nachdrücklich sämtliche Formen von sexueller Gewalt und bedauerte, dass diese Taten so bedenkenlos toleriert würden. Täter müssten bestraft werden. Das EP wiederholte seine Forderung aus 2014 an die Kommission, eine EU-weite Strategie vorzulegen, einschließlich eines Gesetzesentwurfs mit verbindlichen Instrumenten zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt, sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch. Innerhalb des EP seien in der laufenden Legislaturperiode keine förmlichen Beschwerden wegen sexueller Belästigung eingelegt worden.

J u s t i z

EuGH: Ausweisung straffälliger EU-Bürger

Generalanwalt Szpunar vertritt in seinen Schlussanträgen vom 24.10.2017 in den verbundenen Rechtssachen C-316/16 und C-424/16 die Auffassung, dass der Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt gemäß Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürger-Richtlinie 2004/38 eine Voraussetzung dafür ist, dass einem Unionsbürger gemäß Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie verstärkter Schutz vor Ausweisung gewährt werden kann. Die zehn Jahre, in denen ein Bürger, um nach Art. 28 Abs. 3 vor Ausweisung geschützt zu sein, in einem anderen Mitgliedstaat (MS) als dem eigenen seinen Aufenthalt gehabt haben muss, können Zeiträume der Abwesenheit oder des Freiheitsentzugs einschließen, sofern keiner dieser Zeiträume zur Folge hatte, dass die Integrationsverbindungen in diesem MS abgerissen sind. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Mannheim) und der britische Supreme Court hatten den EuGH um Präzisierung des Ausweisungsschutzes für EU-Bürger ersucht. Art. 28 Abs. 3 der Unionsbürger-Richtlinie 2004/38 sieht u.a. vor, dass eine Ausweisung nicht verfügt werden darf, wenn der Unionsbürger seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Inland hatte (es sei denn, es liegen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit vor). Der EuGH soll insbesondere klären, inwieweit die Verhängung und der Vollzug einer Freiheitsstrafe dazu führen können, dass der Zehn-Jahres-Zeitraum als nicht erfüllt anzusehen ist, mit der Folge, dass der Ausweisungsschutz trotz bestehender enger Bande zum Inland entfällt. In den Ausgangsfällen sollen EU-Bürger, die in DEU bzw. GBR zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren, in ihre Herkunftsländer GRI bzw. ITL ausgewiesen werden.

EuGH: Grenzüberschreitende Umwandlung von Gesellschaften

Der EuGH hat mit Urteil vom 25.10.2017 in der Rechtssache C-106/16 entschieden, dass Mitgliedstaaten (MS) Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einen anderen MS verlegen wollen, nicht zur Liquidation verpflichten können. Die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes einer Gesellschaft ohne Verlegung ihres tatsächlichen Sitzes fällt unter die durch das Unionsrecht geschützte Niederlassungsfreiheit. Der EuGH weist darauf hin, dass mangels Vereinheitlichung im Unionsrecht die Definition der Anknüpfung, die für das auf eine Gesellschaft anwendbare nationale Recht maßgeblich ist, gemäß Art. 54 AEUV in die Zuständigkeit jedes einzelnen MS fällt, da nach dieser Vorschrift der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung und die Hauptniederlassung einer Gesellschaft als Anknüpfung für eine solche Verbundenheit gleich geachtet werden. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass eine Gesellschaft durch die Niederlassungsfreiheit den Anspruch auf Umwandlung in eine Gesellschaft des Rechts eines anderen MS erhält, soweit sie die nach dem Recht dieses MS für die Gründung einer Gesellschaft geltenden Voraussetzungen erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn diese Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich weiterhin im ersten MS ausübt. Dass eine Gesellschaft ihren – satzungsmäßigen oder tatsächlichen – Sitz nach dem Recht eines MS begründet, um in den Genuss günstigerer Rechtsvorschriften zu kommen, stellt für sich allein keinen Missbrauch dar.
Im Ausgangsfall möchte eine polnische Gesellschaft unter Wahrung ihrer rechtlichen Identität die Rechtsform einer Gesellschaft nach luxemburgischem Recht annehmen. Die zur Vollendung dieses Vorhabens erforderliche Löschung der Gesellschaft im polnischen Handelsregister scheitert allerdings daran, dass POL hierfür die vorherige Liquidation und Auflösung der Gesellschaft verlangt.

EP: Forderung nach besserem Schutz sog. „Whistleblower“

Das Plenum des EP hat am 24.10.2017 einen Initiativbericht zum Schutz sog. „Whistleblower“ verabschiedet. Hinweisgeber, die im öffentlichen Interesse handeln, sollen angemessenen Schutz und Unterstützung erhalten, fordern die MdEP. Der Schutz von Informanten in der EU sei lückenhaft und unzureichend. Nach dem Willen des EP soll die Kommission noch in diesem Jahr Regelungen vorschlagen, die einen EU-weiten Schutz gewährleisten. Danach sollten die Mitgliedstaaten (MS) Berichterstattungsmechanismen einführen, um interne Enthüllungen zu erleichtern und es „Whistleblowern“ zu ermöglichen, an Nichtregierungsorganisationen oder die Presse zu berichten, einschließlich der Möglichkeit einer anonymen Berichterstattung. Die MS sollen zudem u.a. Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen gewähren, einschließlich Sanktionen gegen diejenigen, die versuchen, Hinweisgeber zum Schweigen zu bringen, und Maßnahmen, um Vergeltungsaktionen zu verhindern.