23-2017 Newsletter

Darmstadt, den 19. Dezember 2017

veröffentlicht am 15.12.2017

F i n a n z d i e n s t l e i s t u n g e n

EP, Kommission: Grünes Licht für EFSI 2.0

Das EP-Plenum hat am 12.12.2017 für die Annahme der Verordnung zur Verlängerung und Verbesserung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), dem Kernstück der Investitionsoffensive für Europa gestimmt. Der für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständige Vizepräsident der Kommission, Jyrki Katainen, erklärte hierzu, dass die Investitionsoffensive Unternehmen in ganz Europa bisher handfeste Vorteile gebracht habe. Die angedachten Änderungen, darunter transparentere Investitionsentscheidungen sowie mehr technische Unterstützung auf lokaler Ebene würden darauf abzielen, die Investitionen innerhalb der EU weiter zu beschleunigen. Die Verordnung über den EFSI 2.0 soll zum 01.12.2018 in Kraft treten.

EuGH: Schlussanträge bezüglich Berufsgeheimnis von Finanzaufsichtsbehörden vorgelegt

Am 12.12.2017 hat Generalanwalt Yves Bot (FRA) seine Schlussanträge in der Rechtssache C 15/16 (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht / Ewald Baumeister) zur Tragweite der Pflicht der nationalen Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte zur Wahrung des Berufsgeheimnisses gemäß der Richtlinie für Finanzinstrumente (MiFID I) vorgelegt. Im vorliegenden Verfahren ging es darum, dass der Anleger Baumeister durch betrügerische Machenschaften der Phoenix Kapitaldienst GmbH geschädigt wurde. Der Kläger beantragte daraufhin bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Einsicht in die der BaFin vorliegenden Unterlagen. Die BaFin lehnte den Antrag seinerzeit ab, wogegen Baumeister klagte. Das mit dem sich anschließenden Rechtsstreit in dritter Instanz befasste Bundesverwaltungsgericht ersuchte den EuGH in diesem Zusammenhang, die Reichweite des Berufsgeheimnisses (Verschwiegenheitspflicht) der Finanzaufsichtsbehörde nach der MiFID 1 zu präzisieren. In seinen Schlussanträgen betont Generalanwalt Bot, dass alle bei einer nationalen Aufsichtsbehörde für die Finanzmärkte angefallenen Informationen, einschließlich Korrespondenz und Äußerungen, über ein beaufsichtigtes Unternehmen unabhängig von weiteren Voraussetzungen unter den Begriff „vertrauliche Informationen“ im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der MiFID 1 fallen und daher nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie durch das Berufsgeheimnis geschützt sind. Konkret bedeutet dies nach Ansicht von Generalanwalt Bot, dass sich die im Art. 54 gewählten Begriffe „Berufsgeheimnis“ und „vertrauliche Informationen“ überschneiden und vielmehr einen einzigen Gegenstand und denselben Gedanken umschreiben. Entsprechend könne das Berufsgeheimnis nicht von der Art der im Besitz der Aufsichtsbehörden befindlichen Informationen abhängig sein, da sämtliche Informationen als vertraulich angesehen werden müssten. Gerade im Kontext der Finanzmarktaufsicht sei eine weite Auslegung des vertraulichen Charakters der den Aufsichtsbehörden zur Verfügung stehenden Informationen vorzunehmen, wonach ihre Weitergabe nur in den in Artikel 54 der Richtlinie vorgesehenen Fällen möglich sei. In diesem Sinne seien die Aufsichtsbehörden für die Finanzmärkte, außer in den in diesen Vorschriften abschließend aufgeführten Fällen, zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet, und zwar ohne zeitliche Begrenzung.

F i n a n z e n

EP: Vorschläge zur Beseitigung illegaler Steuerpraktiken angenommen

Am 13.12.2017 traf das Plenum eine Empfehlung zur Beseitigung illegaler Steuerpraktiken in Zusammenhang mit den sogenannten Panama-Papers. Diese enthält 200 Vorschläge des EP-Untersuchungsausschusses zu Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung (PANA). Die MdEP unterstützten die Empfehlung mit 492 Stimmen gegen 50 bei 136 Enthaltungen. Wichtige Punkte sind: – Regelmäßig aktualisierte, standardisierte, miteinander verbundene öffentlich zugängliche Register der wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, Stiftungen, Trusts und ähnlichen rechtlichen Gestaltungen,
– neue Vorschriften für Steuerintermediäre wie Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, die eine aggressive Steuerplanung unterstützen, und die Abschreckungsmaßnahmen enthalten, mit denen diese von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung abgehalten werden,
– eine gemeinsame internationale Definition dessen, was unter Offshore-Finanzzentren, Steueroasen, Ländern/Gebieten mit strengem Bankgeheimnis, nicht kooperierenden Steuergebieten und Ländern mit einem hohen Geldwäscherisiko zu verstehen ist,
– Instrumente zur Unterstützung von Hinweisgebern, um sicherzustellen, dass sie wirkungsvoll geschützt und angemessen finanziell unterstützt werden,
– Sanktionen auf der Ebene der EU als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten gegen Banken und Intermediäre, die bewusst, vorsätzlich und systematisch an illegalen Steuergestaltungen oder Geldwäsche beteiligt sind,
– Einsetzung eines ständigen Untersuchungsausschusses nach dem Vorbild des US-Kongresses.

Mit dieser Abstimmung wird die 18-monatige Arbeit des Sonderausschusses abgeschlossen, der im Juni 2015 nach den Enthüllungen der Panama-Papiere mit dem Ziel eingesetzt wurde, die illegalen Praktiken, die durch die enthüllten Dokumente aufgedeckt wurden, zu beseitigen.

Rat: EU veröffentlicht Liste der nicht kooperativen Steuergebiete

Am 05.12.2017 legten die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten im ECOFIN-Rat erstmals eine EU-Liste der nicht kooperativen Steuergebiete fest. Die Minister listeten insgesamt 17 Staaten auf‚ in denen die vereinbarten Standards für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich nicht eingehalten werden. 47 Staaten haben sich nach Kontakten mit der EU verpflichtet, die Mängel in ihren Steuersystemen zu beheben und die erforderlichen Kriterien zu erfüllen. Die Aufstellung der EU-Liste soll ein dynamischer Vorgang sein, der bis ins Jahr 2018 hinein andauern werde. In einem ersten Schritt erhalten alle Länder und Gebiete auf der EU-Liste ein Schreiben mit einer Erläuterung der Entscheidung und Hinweisen, was sie tun können, um von der Liste gestrichen zu werden. Die Kommission und die Mitgliedstaaten (in der Gruppe „Verhaltenskodex“) werden alle Länder und Gebiete weiterhin aufmerksam beobachten, um sicherzustellen, dass die Verpflichtungen eingehalten werden, und um festzustellen, ob in Zukunft andere Länder in die Liste aufgenommen werden sollten. Ein erster Zwischenbericht wird Mitte 2018 erwartet. Die EU-Liste soll mindestens einmal pro Jahr aktualisiert werden.

Kommission: Erklärung der Kommission, keine Schwächung der Defizitkriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorzuschlagen

Am 01.12.2017 sah sich die Kommission veranlasst, Berichte einiger deutscher Medien zu dementieren, die Kommission würde eine Schwächung der Defizitkriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorschlagen. Dies sei frei erfunden und diese Gerüchte hätten nichts mit der Realität zu tun. Dies habe die Kommission nie erwogen, und dies habe auch nichts mit den Vorschlägen zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion Europas zu tun, an denen die Kommission derzeit arbeite.

Rat: Einigung über einfachere und effizientere Vorschriften für Unternehmen, die ihre Waren online vertreiben

Am 05.12.2017 einigte sich der ECOFIN-Rat über eine Reihe von Maßnahmen, die das Mehrwertsteuersystem für Online-Unternehmen in der EU vereinfachen sollen. Das neue System soll es Verbrauchern und Unternehmen, insbesondere Start-ups und KMU, leichter machen, Waren grenzüberschreitend online zu verkaufen und zu kaufen. Dadurch wird auch den Mitgliedstaaten geholfen, die derzeit auf 5 Mrd. EUR jährlich veranschlagten Mehrwertsteuerverluste bei Online-Umsätzen zu verhindern. Die neuen Regeln treten bis 2021 schrittweise in Kraft.

Kommission: BEL zur Umsetzung neuer Transparenzvorschriften für den Austausch von Steuervorbescheiden aufgefordert

Die Kommission beschloss am 05.12.2017, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an BEL zu richten, weil das Land keine Maßnahmen zur Umsetzung der neuen Bestimmungen zum automatischen Austausch von Steuervorbescheiden zwischen den Steuerbehörden in der EU (Richtlinie (EU) 2015/2376 des Rates) mitgeteilt habe. Die Mitgliedstaaten hätten die Richtlinie bis 31.12.2016 umsetzen müssen. Die neuen Vorschriften sollen dazu beitragen, grenzüberschreitender Steuervermeidung, aggressiver Steuerplanung und schädlichem Steuerwettbewerb ein Ende zu setzen. Die Aufforderung der Kommission erging in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme. Sollte die Kommission binnen zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort erhalten, kann sie BEL beim EuGH verklagen

Kommission: FRA zur Änderung der Steuervorschriften bei Anleihen und der Abzugsfähigkeit von Beteiligungsgebühren aufgefordert

Die Kommission beschloss am 05.12.2017, ein Aufforderungsschreiben an FRA zu richten, weil das Land das Recht, Kapitalverluste abzuschreiben, auf Zeichner beschränke, die von gebietsansässigen Emittenten ausgestellte Anleihen gezeichnet hätten. Die Kommission übermittelte außerdem ein Aufforderungsschreiben an FRA, weil das Land gebietsfremde Steuerpflichtige benachteilige. Gemäß dem geltenden französischen Recht könnten gebietsansässige Steuerpflichtige Beteiligungskosten und ‑gebühren in vollem Umfang von der Steuerbemessungsgrundlage abziehen, während dies für gebietsfremde Steuerpflichtige nur in beschränktem Maße gelte.

Diese Regelungen verstießen gegen die EU-Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit (Artikel 49 AEUV) und den freien Kapitalverkehr (Artikel 63 AEUV) sowie gegen Artikel 31 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), die die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr in der EU und im EWR garantieren. Schaffe FRA nicht binnen zwei Monaten Abhilfe, könne die Kommission in dieser Sache eine mit Gründen versehene Stellungnahme übermitteln.

S o z i a l e s

EP: Bessere Förderung der Jugend im EU-Haushalt 2018

Am 30.11.2017 wurde der EU-Haushalt für das Jahr 2018 verabschiedet. Dabei konnte vor allem die Unterstützung für arbeitslose Jugendliche ausgeweitet werden. Die gesamten Verpflichtungsermächtigungen belaufen sich auf 160,1 Mrd. EUR mit Zahlungsermächtigungen von 144,7 Mrd. EUR. Der Rat hatte zuvor eine Einigung im Vermittlungsverfahren mit dem EP gebilligt, wodurch der Haushaltsplan anschließend verabschiedet und durch EP-Präsident Tajani unterzeichnet wurde. Die Mittel für die Unterstützung von jungen Arbeitslosen im Rahmen der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen wurde auf insgesamt 350 Mio. EUR erhöht. Dabei wurden der finanzielle Handlungsrahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit um 116 Mio. EUR ausgeweitet. Vor allem im Süden Europas haben selbst gut ausgebildete Jugendliche große Probleme, eine geeignete Beschäftigung zu finden. Das spiegelt sich in den weiter hohen Arbeitslosenzahlen wider (Oktober 2017: 22% in FRA, 40% in GRI).

EP: Votum für positive Diskriminierung bei Menschen mit Behinderung

Das EP verabschiedete am 30.11.2017 einen Beschluss, der die Mitgliedstaaten (MS) dazu aufruft, die geleisteten Bekenntnisse zur Förderung der Chancengleichheit vollständig umzusetzen. Der Beschluss bewertet die Europäische Behindertenstrategie 2010-2020 und stellt eine Diskrepanz zwischen den verabschiedeten Gesetzen und der Realität von Menschen mit Behinderungen in den MS fest. Diese seien noch immer nicht in der Lage, ihre Rechte auf gleiche Behandlung und ein unabhängiges Leben wahrzunehmen. Daher zeigt der Beschluss mehrere Maßnahmen auf, die von der Kommission und den MS umgesetzt werden müssten. Darunter ist die barrierefreie Zugänglichkeit der 112-Notrufnummern und ein barrierefreier öffentlicher Raum in allen MS. Ein weiterer Punkt ist die Ausbildung von Lehrkräften, um Personen mit anspruchsvolleren Bedürfnissen gerecht zu werden. Der zentrale Punkt der Maßnahmen bildet die Einführung einer positiven Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in Form eines Quotensystems für öffentliche und private Beschäftigungsformen.

EWSA: Nachhaltige Sozialschutzsysteme im digitalen Zeitalter

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hat in seiner Plenarsitzung am 07.12.2017 eine Stellungnahme zu den Herausforderungen für Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme im digitalen Zeitalter verabschiedet. Im Zuge der Digitalisierung entstehen neue Arbeitsformen und damit einhergehend Herausforderungen im Zugang zu sozialen Sicherungssystemen. Daher rät der EWSA den Mitgliedstaaten (MS) und den europäischen Institutionen zu einer Regulierung dieser neuen Arbeitsformen, die in vielen Fällen nicht mehr auf individuellen Arbeitsverträgen basieren. Dadurch ist der Zugang zu sozialen Sicherungssystemen erschwert. Im Speziellen sieht der EWSA vor, die elektronischen Systeme der Renten- und Krankenversicherungssysteme in den MS mit denen der Steuerverwaltung zu verknüpfen und eine verpflichtende Beitragszahlung für Erwerbstätige aller Art einzuführen. Des Weiteren müssten die sozialen Sicherungssysteme so aufgestellt werden, dass sie nachhaltig funktionierten und Personen Zugang gewähren, die nicht in klassischen Arbeitsverhältnissen tätig sind.

Kommission: Konsultationen zur Einrichtung einer Europäischen Arbeitsmarktbehörde und einer Europäischen Sozialversicherungsnummer begonnen

Am 27.11.2017 begann die Kommission öffentliche Konsultationen zur Frage der Einrichtung einer Europäischen Arbeitsmarktbehörde. Die Konsultation läuft vergleichsweise nur kurze Zeit und endet bereits am 07.01.2018. In seiner Rede zur Lage der Union 2017 kündigte Kommissionspräsident Juncker Pläne zur Einrichtung dieser Behörde an, die gewährleisten soll, dass die EU-Vorschriften zur Arbeitskräftemobilität auf gerechte, einfache und wirksame Art und Weise durchgesetzt werden. Außerdem kündigte er die Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer an, die die Interaktion der Bürgerinnen und Bürger mit den Verwaltungen in zahlreichen Bereichen vereinfachen und modernisieren soll. Die entsprechenden Legislativvorschläge sind im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2018 vorgesehen und sollen im zweiten Quartal 2018 angenommen werden. Mit dieser öffentlichen Konsultation sollen hierzu nun Meinungen und Stellungnahmen interessierter Kreise eingeholt werden, damit sie in die Folgenabschätzung einfließen können.

EuGH: Schlussanträge zum Renteneintrittsalters nach Geschlechtsumwandlung

Am 05.12.2017 wurden dem EuGH die Schlussanträge durch Generalstaatsanwalt Bobek in der Rechtssache C-451/16 „MB“ / Secretary of State for Work and Pensions (GBR) vorgelegt. Im vorliegenden Fall wurde die betroffene Person im Jahr 1948 als Mann geboren, heiratete im Jahr 1974 und unterzog sich 1994 einer operativen Geschlechtsumwandlung zur Frau. Sie lebt jedoch noch immer in der zuvor eingegangen Ehe. Mit Vollendung des 60. Lebensjahres beantragte sie die staatliche Rente in GBR (Männer dieser Jahrgänge hätten mit 65 Jahren Anspruch). Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass sie keine Bestätigung über ihre Geschlechtszugehörigkeit habe und daher hier nicht als Frau behandelt werden könne.

Die Bestätigung wäre nur nach einer Scheidung ausgestellt worden. Als unverheiratete Person wäre sie anspruchsberechtigt gewesen. Das zuständige britische Gericht möchte daher vom EuGH wissen, ob die Bestimmung des Renteneintrittsalters einer Transgenderperson davon abhängen darf, ob sie verheiratet ist und bittet um die Auslegung der Richtlinie zur Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei staatlichen Leistungen (RL 79/7/EWG). In seinen Schlussanträgen erklärte der Generalanwalt, dass die Bedingung, sich nicht in einer Ehe zu befinden, unzulässig sei und daher eine klare geschlechtliche Diskriminierung bestehe. Die Mitgliedsstaaten müssten keine gleichgeschlechtlichen Ehen anerkennen, aber eine entsprechende Regelung finden, die den Anspruch auf Rente vom Geschlecht und der Beteiligung an einer Ehe löse.

J u s t i z

EuG: Markenstreit um Farbkombination Blau-Silber

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat mit Urteil vom 30.11.2017 in den verbundenen Rechtssachen T-101/15 und T-102/15 entschieden, dass der Energy-Drink-Hersteller Red Bull eine Kombination aus Blau und Silber nicht als Farbmarke schützen lassen kann. Zwar sei eine Mehrfarbenmarke im Grundsatz eintragungsfähig. Erforderlich sei dann aber eine eindeutige und dauerhafte grafische Darstellung. Wenn, wie in dem vorliegenden Rechtsstreit, zwei abstrakte und konturlose Farben geschützt werden sollen, sei dies nur dann möglich, wenn sie systematisch so angeordnet sind, dass sie in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind. Anderenfalls lasse die Darstellungen zahlreiche unterschiedliche Kombinationen zu. Das Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) hatte 2005 und 2011 zugunsten der Red Bull GmbH je eine Farbkombination aus Blau und Silber als Unionsmarke für Energy Drinks eingetragen. Die Eintragungen enthielten den Hinweis, dass die beiden Farben (nebeneinander) in (etwa) gleichem Umfang verwendet würden. Das EUIPO teilte die Auffassung von Red Bull, dass diese Farbmarken durch Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hätten.

Im Jahr 2011 bzw. 2013 beantragte die polnische Firma Optimum Mark beim EUIPO, die beiden Farbmarken für nichtig zu erklären, mit Erfolg: Im Jahr 2013 (bestätigt im Jahr 2014) erklärte die Beschwerdekammer des EUIPO die Marken für nichtig, u.a. mit der Begründung, dass die Marken nicht hinreichend präzise und einheitlich seien, denn sie ließen verschiedenste Kombinationen der beiden Farben zu, die einen ganz unterschiedlichen Gesamteindruck vermittelten. Red Bull hatte diese Nichtigerklärungen vor dem EuG angefochten. Diese Klage wurde mit dem Urteil vom 30.11.2017 nun abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

EuGH: Verjährung bei Mehrwertsteuerbetrug – nationale Verfassungsidentität

Der EuGH hat mit Urteil vom 05.12.2017 in der Rechtssache C-42/17 entschieden, dass die Pflicht zum Schutz der finanziellen Interessen der Union mit der Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen in Einklang zu bringen ist. Deshalb sind nationale Gerichte in Strafverfahren, die schwere Betrugsfälle im Mehrwertsteuerbereich zum Gegenstand haben, nicht verpflichtet, von der Anwendung der nationalen Verjährungsvorschriften abzusehen, wenn sie dadurch gegen den genannten Grundsatz verstoßen würden. Zwei italienische Gerichte müssen im Ausgangsverfahren in Strafverfahren entscheiden, die gegen zwei Beschuldigte wegen des Verdachts des schweren Betrugs im Mehrwertsteuerbereich eingeleitet wurden. Es besteht die Gefahr, dass sie straflos bleiben, wenn die Verjährungsvorschriften des italienischen Strafgesetzbuchs anzuwenden sind. Dagegen könnte es zu einer Verurteilung kommen, wenn die in diesen Vorschriften vorgesehene Verjährungsfrist auf der Grundlage der vom EuGH im Urteil Taricco vom 08.09.2015 (Rs. C-105/14), das ergangen ist, nachdem die Taten begangen wurden, aufgestellten Grundsätze nicht anzuwenden wäre. In dem Taricco-Urteil hat der EuGH Art. 325 AEUV ausgelegt, der die EU und die Mitgliedstaaten verpflichtet, Betrug und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen zu bekämpfen und einen effektiven Schutz dieser Interessen zu bewirken. Die vorlegenden Gerichte sind aber der Auffassung, dass die Anwendung der Grundsätze des Taricco-Urteils gegen den in der italienischen Verfassung verankerten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen verstoßen würde.

EuG: Markenstreit um MI PAD

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat mit Urteil vom 05.12.2017 in der Rechtssache T-893/16 entschieden, dass „MI PAD“ nicht als Unionsmarke für elektronische Geräte und Dienstleistungen in der (Tele-)Kommunikation eingetragen werden darf. Xiaomi, ein auf Elektronik und Mobilfunkgeräte spezialisiertes chinesisches Unternehmen, hatte 2014 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) das Wortzeichen MI PAD als Unionsmarke für diese Waren angemeldet. Als Inhaber der älteren Marke IPAD, die für identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen eingetragen ist, hatte Apple Widerspruch gegen die Eintragung des Zeichens eingelegt. Gegen die Stattgabe des Widerspruchs durch EUIPO hat das chinesische Unternehmen Klage beim EuG erhoben. Das EuG hat im Sinne von Apple entschieden. Es begründet seine Entscheidung damit, dass beide Zeichen hinsichtlich des Schriftbilds einen hohen Grad an Ähnlichkeit aufweisen. IPAD ist nämlich vollständig in MI PAD enthalten, die Zeichen haben die Buchstabenfolge „ipad“ gemein und sie unterscheiden sich lediglich durch den zusätzlichen Buchstaben „m“ am Anfang von MI PAD. In klanglicher Hinsicht weisen die Zeichen für das englischsprachige Publikum einen mittleren, und für das nicht englischsprachige Publikum einen hohen Grad an Ähnlichkeit auf. In begrifflicher Hinsicht weisen die beiden Zeichen für das englischsprachige Publikum einen mittleren, und für das nicht englischsprachige Publikum einen neutralen Grad an Ähnlichkeit auf.

EuG: Markenstreit mit Coca-Cola

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat mit Urteil vom 07.12.2017 in der Rechtssache T-61/16 entschieden, dass Coca-Cola der Eintragung des Zeichens „Master“ widersprechen kann, das für die Vermarktung von Getränken und Nahrungsmitteln die gleiche Schrift benutzt wie Coca-Cola. Zwar wird das Zeichen „Master“ nur in Syrien und im Mittleren Osten in ähnlicher Form wie das von Coca-Cola benutzt. Coca-Cola kann aber nach Ansicht des EuG durch logische Schlussfolgerung die Gefahr wirtschaftlichen Trittbrettfahrens dahingehend belegen, dass es wahrscheinlich ist, dass „Master“ künftig in gleicher Weise in der EU benutzt werden wird. Die syrische Gesellschaft Modern Industrial & Trading Investment (Mitico) hatte 2010 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Eintragung einer Unionsmarke „Master“ für Getränke und Nahrungsmittel beantragt, die an die Form von Coca-Cola erinnert. Coca-Cola hat beim EuG gegen die Eintragung der Unionsmarke durch das EUIPO geklagt.

G e s u n d h e i t  u n d  V e r b r a u c h e r s c h u t z

Kommission; Neue Standards zur Frühdiagnose von Alzheimer

Die EU-Kommission hat am 11.12.2017 neue wissenschaftliche Standards zum Thema Früherkennung von Alzheimer präsentiert. Die Standards wurden in Zusammenarbeit mit dem internationalen Verband für klinische Chemie und dem Alzheimer-Verband erarbeitet. Demenzerkrankungen und speziell Alzheimer, die häufigste Form von Demenz (50-70%), stellen die europäischen Gesellschaften vor große Herausforderungen. Die Kosten durch Demenzerkrankungen belaufen sich europaweit auf 167,5 Mrd. EUR jährlich. Die neuen Standards beinhalten aktuelles zertifiziertes Referenzmaterial zu Alzheimer-Biomarkern. Dadurch sollen Diagnosen präziser und die Entwicklung von Medikamenten einfacher werden, um Alzheimer früher zu erkennen und die Entwicklung der Krankheit zu verlangsamen.

Kommission; Gemeinsames Handeln zur Tabakkontrolle

Die Auftaktsitzung zum gemeinsamen Handeln zur Tabakkontrolle (JACT) wurde am 12./13.12.2017 in Athen (GRI) veranstaltet. JACT wurde zur Unterstützung der Implementierung der EU-Tabakprodukterichtlinie ausgerichtet, welche die Herstellung, Darstellung und den Verkauf von Tabak sowie verwandten Produkten reguliert. JACT wird mit 2,5 Mio. EUR durch das EU-Gesundheitsprogramm 2014-2020 gefördert. Die erste Sitzung erörterte die besten Wege zur Erreichung der wichtigsten Ziele. Dazu gehört die bessere Verarbeitung der gesammelten Daten zu Tabakprodukten durch das EU-weite Produktberichtswesen und die Kontrolle der gemeldeten Inhaltsstoffe. Des Weiteren soll die Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten in diesem Bereich verbessert werden.

Kommission; Empfehlungen zur Verbesserung von Packungsbeilagen

Neue Empfehlungen der EU-Kommission waren die Grundlage für den am 30.11.2017 veröffentlichten Aktionsplan der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zur Verbesserung der Produktinformationen von EU-Arzneimitteln. Seit 2001 sollen Medikamente, die in der EU verkauft werden, einen Beipackzettel beinhalten, der Patienten und Gesundheitsexperten Informationen über den Inhalt und die Gebrauchsweise erläutert. Zur Verbesserung der Beipackzettel müssten diese einfacher für alle Patientengruppen verständlich sein, das Layout angepasst werden und die Informationen zusätzlich in elektronischer Form zugänglich sein. EMA und Kommission wollen daher mit Interessengruppen Arbeitstreffen im zweiten Halbjahr 2018 veranstalten, um die angesprochenen Ziele und vor allem die elektronische Verfügbarkeit zu gewährleisten

I n n e r e s

EuGH; Die Verurteilung eines Drittstaatsangehörigen mit einer langfristigen Aufenthaltserlaubnis kann eine Ausweisungsverfügung nicht automatisch rechtfertigen

Nach der Entscheidung des EuGH vom 07.12.2017 in der Rechtssache C-636/16 (López Pastuzano) erfordert eine behördliche Ausweisungsentscheidung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen entsprechend Art. 12 Abs. 1 bis 3 der RL 2003/19 stets eine Abwägung des individuellen Einzelfalls. Grund hierfür sei insbesondere das vorrangige Ziel der Vorschriften, die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind, zu fördern. Im Hinblick darauf habe der Unionsgesetzgeber, wie im 16. Erwägungsgrund ausgeführt, die Meinung vertreten, dass langfristig Aufenthaltsberechtigte verstärkten Ausweisungsschutz genießen sollten. Aus diesem Grund habe dieser mit den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 bis 3 der RL 2003/109 Kriterien aufgestellt, die sicherstellen sollen, dass diese besondere Schutzbedürftigkeit bei der Anwendung der Vorschriften hinreichende Berücksichtigung findet. Die Vorschrift stehe daher der spanischen Auslegung entgegen, wonach im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung des Aufenthaltsberechtigten zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe die Ausweisungsentscheidung ohne vorherige Abwägung des Einzelfalls getroffen werden kann.

Kommission; Vertragsverletzungsverfahren im Bereich des Glücksspielsektors eingestellt

Die Kommission hat am 06.12.2017 beschlossen, ihre Vertragsverletzungsverfahren im Bereich des Glücksspielsektors und die Behandlung einschlägiger Beschwerden gegen eine Reihe von Mitgliedstaaten (MS) einzustellen. Hiervon ist auch ein potenzielles Verfahren gegen DEU erfasst. Die Kommission betont, dass es sich hierbei um eine politische Entscheidung handelt, die im Zuge ihrer Bemühungen um bessere Rechtsetzung ergeht. Der Bereich des Glücksspiels sei demnach derzeit keine Priorität der Kommission, aber bereits stark durch EuGH-Rechtsprechung geprägt, weshalb man Beschwerdeführern den Weg über nationale Rechtsmittel nahelegt. Die Kommission unterstütze die MS weiter bei ihren Bemühungen, unerlaubtes Glücksspiel zu bekämpfen, anfällige Bevölkerungsgruppen zu schützen und andere damit zusammenhängende rechtswidrige Handlungen zu verhindern.

Kommission; Fahrplan zur Erreichung weitreichender Fortschritte im Bereich Migration bis Juni 2018 vorgelegt

Im Vorfeld des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs vom 14.12.2017 hat die Kommission am 07.12.2017 einen politischen Fahrplan für die Umsetzung eines umfassenden Maßnahmenpakets im Bereich Migration bis Juni 2018 vorgelegt. Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker will damit bis Mitte nächsten Jahres eine breite Einigung darüber herbeiführen, wie die Fortsetzung einer tragfähigen Migrationspolitik aussehen kann. Hiermit möchte er insbesondere die teilweise ins Stocken geratenen Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, insb. zur Reform der Dublin-Verordnung, wieder in Gang bringen, um diese bis Mitte kommenden Jahres abzuschließen. Ferner sollen das gemeinsame Außen-Grenzmanagement ebenso wie die Rückführungsbemühungen der Mitgliedstaaten (MS) vorangetrieben werden. Zudem sollen die MS ihre Bemühungen, hilfsbedürftige Personen von außerhalb der EU aufzunehmen, verstärken.

Kommission; Neue Programme zur Bekämpfung des Menschenschmuggels verabschiedet

Die Kommission hat am 06.12.2017 insgesamt 29,6 Mio. EUR für neue Programme zum Schutz von Migranten und zur Bekämpfung der Schlepperbanden in Nordafrika zur Verfügung gestellt. Zudem helfen die Programme bei der freiwilligen Rückkehr und langfristigen Wiedereingliederung von Migranten in die Herkunftsländer. Das Geld entstammt dem Nothilfe-Treuhandfonds der EU zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration und Vertreibungen in Afrika. Die Programme dienen als Ergänzung zu der beim jüngsten EU-Afrika-Gipfel beschlossenen Arbeitsgruppe, mit der die Leben von Migranten entlang der Fluchtrouten und insbesondere in Libyen besser geschützt werden sollen. 10 Mio. EUR werden über die Internationale Organisation für Migration (IOM) an rückreisewillige Geflüchtete bereitgestellt. Ein Programm über 15 Mio. EUR zielt in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen auf die Stärkung regionaler Behörden bei der Schleuserbekämpfung. Weitere 4,58 Mio. EUR dienen dem Schutz von Migranten und Vertriebenen in Marokko.