01-2018 Newsletter

Darmstadt, den 19. Januar 2018

veröffentlicht am 12.01.2018

F i n a n z d i e n s t l e i s t u n g e n

Kommission: Schweizer Aktienhandelsplätze werden als gleichwertig anerkannt

Die Kommission hat am 21.12.2017 einen Beschluss gefasst, wonach Handelsplätze in der Schweiz als gleichwertig anerkannt werden, sodass die in der neuen Finanzmarktrichtlinie und -verordnung (MiFID II/MiFIR) vorgesehenen, ab dem 03.01.2018 geltenden Handelspflichten für Aktien in der EU auch dann als erfüllt angesehen werden können, wenn ihnen an Handelsplätzen in der Schweiz nachgekommen wird.

Mit dieser Entscheidung will die Kommission gewährleisten, dass Unternehmen und Märkte ihrer Tätigkeit weiterhin reibungslos und störungsfrei nachgehen können. Der für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständige Kommissionsvizepräsident Dombrovskis machte gleichwohl deutlich, dass der Gleichwertigkeitsbeschluss auf ein Jahr befristet sei und verlängert werden könne, wenn beim gemeinsamen institutionellen Rahmen, konkret weitere Fortschritte bei der Aushandlung des institutionellen Rahmenabkommens mit der Schweiz, ausreichende Fortschritte erzielt worden seien. Die Kommission betonte weiter, dass die Schweiz sich von den anderen Ländern, denen kürzlich Gleichwertigkeit zugestanden wurde, in mehrerlei Hinsicht unterscheide. Der Geltungsbereich des gegenwärtigen Beschlusses sei weitaus größer, da Aktien aus der Schweiz in der EU und EU-Aktien in der Schweiz in weitaus größerem Umfang gehandelt würden als Titel aus den anderen kürzlich als gleichwertig anerkannten Ländern, wie z.B. USA, Hong Kong und Australien. Entsprechend werde sich der Handel in der Schweiz stärker und unmittelbarer auf die Integrität der EU- Finanzmärkte auswirken, was auch für die Marktmissbrauchsprävention gelte.

Kommission: Inkrafttreten der Regelungen für den Vertrieb von Versicherungen um 7 Monate verschoben

Die Kommission hat am 20.12.2017 vorgeschlagen, das Anwendungsdatum der Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive, IDD) und der entsprechenden Verordnung ausnahmsweise um sieben Monate auf den 01.10.2018 zu verschieben. Das EP und insgesamt 16 Mitgliedstaaten hatten solch einen zeitlichen Aufschub erbeten, da insbesondere kleine Versicherungen Probleme mit der Umsetzung der neuen Regelungen signalisiert hatten. Gleichwohl sind die Mitgliedstaaten weiter aufgefordert, die neuen Regelungen bis 23.02.2018 anzuwenden. Ziel der IDD ist eine transparente Vorgehensweise bei dem Vertrieb von Versicherungen gerade im grenzübergreifenden Bereich, wovon in erster Linie Verbraucher profitieren sollen.

F i n a n z e n

Kommission: Bericht zur Zusammenarbeit bei der Erhebung direkter Steuern und der MwSt.

Am 18.12.2017 veröffentlichte die Kommission einen Bericht zur besseren Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten (MS) bei der Erhebung der MwSt. und anderer direkter Steuern für die nationalen Haushalte. Der Bericht enthielt auch eine Reihe von Empfehlungen für die MS. Demnach sollten diese vor allem in moderne IT-Systeme und Personal investieren, um ihre öffentlichen Finanzen zu konsolidieren. Der Bericht beleuchtet die positiven Auswirkungen der EU-weiten Zusammenarbeit der Steuerbehörden. Die Kommission hatte in 2017 bereits Reformen des MwSt.-Systems hin zu einem einheitlichen europäischen MwSt.-Gebiets auf den Weg gebracht. Die Kommission möchte nun mit den MS über die Umsetzung der Ergebnisse sprechen.

S o z i a l e s

Kommission: Richtlinienvorschlag über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen

Am 21.12.2017 veröffentlichte die Kommission ihren Richtlinienvorschlag über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen, der zum Programm der Europäischen Säule Soziale Rechte gehört. Der Vorschlag ist eine Weiterentwicklung der „Richtlinie über schriftliche Erklärungen“ (91/533/EWG), die inzwischen aufgrund des starken Wandels in der Arbeitswelt als überholt gilt. In den letzten 25 Jahren war der Arbeitsmarkt Gegenstand einer zunehmenden Flexibilisierung. Im Jahr 2016 betraf ein Viertel aller Arbeitsverträge „atypische“ Formen der Beschäftigung und mehr als die Hälfte der in den letzten zehn Jahren neu geschaffenen Arbeitsplätze waren atypisch. Die Digitalisierung hat die Schaffung neuer Formen der Beschäftigung begünstigt, und durch den demografischen Wandel hat sich auch die Erwerbsbevölkerung diversifiziert. Die Flexibilität, die mit den neuen Beschäftigungsformen einhergeht, hat sich als wichtiger Faktor für die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wachstum des Arbeitsmarkts erwiesen. Seit 2014 wurden mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze geschaffen: davon betrafen fast 20% neue Formen der Beschäftigung. Der klassische Vollzeitarbeitsplatz sei auf dem Rückzug.

Mit dem Vorschlag führt die Kommission erstmals einen europäischen Arbeitnehmerbegriff ein. Dies sei notwendig, da die bisherigen nationalen Definitionen ca. zwei bis drei Mio. Arbeitnehmer von der Richtlinie über schriftliche Erklärungen ausschlössen. Zudem sollen die Rechte der Arbeitnehmer mit der Neufassung deutlich ausgeweitet und konkretisiert werden. Damit sind neue materielle Rechte zentraler Bestandteil des Entwurfs.

Kommission: Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt durch Sozialpartnerschaft

Am 20.12.2017 unterzeichneten Kommission und die Wirtschafts- und Sozialpartner der EU eine Partnerschaft, die die Chancen von Flüchtlingen und Migranten auf dem europäischen Arbeitsmarkt verbessern soll. Migrationskommissar Avramopoulos erklärte, dass für eine erfolgreiche Integration von Neuankömmlingen, insbesondere Flüchtlingen, die frühzeitige Teilhabe am Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle spiele. Alle Akteure, ob öffentlich oder privat, müssten ihren Teil zum Gelingen der Integration von Flüchtlingen beitragen, daher wolle man die Aufgabe mit vereinten Kräften angehen. Die Initiative solle nicht nur auf europäischer, sondern auch auf nationaler Ebene als Vorbild wirken. Die Wirtschafts- und Sozialpartner, vertreten durch den Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), den europäischen Arbeitgeberverband BUSINESSEUROPE, der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME) und dem Europäischen Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), verpflichteten sich u.a. zum Austausch von bewährten Verfahren für die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Hierzu zählen etwa die Einrichtung von Mentorenprogrammen am Arbeitsplatz oder eine erleichterte Ermittlung, Bewertung und Dokumentation von Fertigkeiten und Qualifikationen.

EuGH: Urteil zur Arbeitslosenunterstützung bei zuvor selbstständig tätigen EUBürgern

In seinem Urteil in der Rechtssache C-442/16 vom 20.12.2017 entschied der EuGH, dass auch Selbstständige, die arbeitslos werden, einen Anspruch auf Arbeitslosenleistungen haben. Im vorliegenden Fall ist Herr Gusa rumänischer Staatsbürger, der im Jahr 2007 nach IRL zog. Dort wurde er im ersten Jahr von seinen dort lebenden Kindern finanziell unterstützt. Die darauffolgenden vier Jahre arbeitete er als selbstständiger Gipser. Durch ausbleibende Aufträge musste er seine Tätigkeit einstellen und beantragte bei den irischen Behörden Arbeitslosengeld. Sein Antrag wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass er wegen der Einstellung seiner selbstständigen Tätigkeit sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren habe. Deswegen könne er auch kein Arbeitslosengeld in IRL erhalten. Herr Gusa klagte gegen diese Entscheidung. Das zuständige Gericht wollte daraufhin wissen, ob nach der Unionsbürger-Richtlinie (2004/38/EG) ein selbständiger Unionsbürger, der seine Tätigkeit einstellen muss, weiterhin aufenthaltsberechtigt ist. Der EuGH bestätigte das Aufenthaltsrecht und erklärte, dass ein Anspruch auf Arbeitslosenleistungen besteht, wenn zuvor mindestens ein Jahr als Selbstständiger gearbeitet wurde und die Arbeitslosigkeit auf nicht beeinflussbare Gründe zurückzuführen sei.

EuGH: Urteil zu wöchentlichen Ruhezeiten für Fahrer

Der EuGH entschied in der Rechtssache C-102/16 am 20.12.2017, dass Fahrer im Straßentransportsektor ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht im Fahrzeug verbringen dürfen. Die reduzierte wöchentliche Ruhezeit kann jedoch unter bestimmten Bedingungen im Fahrzeug verbracht werden. Der entsprechende Fall beschäftigte sich mit der Vaditrans BVBA, einem belgischen Güterkraftverkehrsunternehmen.

Laut belgischem Gesetz ist es Fahrern verboten, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen. Bei Zuwiderhandlung ist eine Geldbuße von 1.800 EUR vorgesehen. Vaditrans BVBA beantragte beim belgischen Staatsrat, diese Regelung für nichtig zu erklären. Der Staatsrat möchte in diesem Zusammenhang vom EuGH wissen, ob laut der EU-Verordnung zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (561/2006/EG) die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten nicht im Fahrzeug verbracht werden dürfen.

Der EuGH entschied, dass Fahrer die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nicht im Fahrzeug verbringen dürften, da ansonsten ihr persönliches Wohlbefinden zu stark beeinträchtigt würde und die Arbeitsbedingungen darunter litten. Die reduzierte wöchentliche Ruhezeit sowie die tägliche Ruhezeit können jedoch im Fahrzeug verbracht werden, falls das Fahrzeug dafür geeignet ist und der Fahrer sich dazu entscheidet. Die Mitgliedsstaaten können trotzdem Regelungen erlassen, die den Aufenthalt des Fahrers im Fahrzeug bei Ruhezeiten regulieren und das Zuwiderhandeln bestrafen.

J u s t i z

EuGH: Anerkennung einer ausländischen Privatscheidung

Der EuGH hat mit Urteil vom 20.12.2017 in der Rechtssache C-372/16 entschieden, dass private, vor einem Scharia-Gericht durchgeführte Scheidungen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1259/2010 über das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht (sog. Rom III-Verordnung) fallen. Aus den mit der Rom IIIVerordnung verfolgten Zielen ergibt sich seiner Auffassung nach, dass diese Verordnung nur Ehescheidungen erfasst, die entweder von einem staatlichen Gericht oder von einer öffentlichen Behörde bzw. unter deren Kontrolle ausgesprochen werden. Der EuGH ist damit den Schlussanträgen vom 14.09.2017 (vgl. BaB 17/2017) gefolgt. Dementsprechend ist deutsches Recht auf derartige Privatscheidungen anwendbar und diese in DEU gemäß §§ 17 Abs. 2 EGBGB, 1564 Satz 1 BGB (Scheidungsmonopol der Gerichte) nicht anerkennungsfähig. Im Ausgangsfall begehrt ein Ehemann in DEU die Anerkennung einer vor einem Scharia-Gericht in Syrien einseitig erklärten Scheidung. Beide Ehepartner besitzen die syrische und die deutsche Staatsangehörigkeit.